Schrille Neon-Farben, gleißendes Kunstlicht, vulgäre Kulissen, Kostüme in billigem 80er-Stil, haarige, verschwitzte Körper: Der halluzinogene Kosmos Karim Aïnouzs schrillen Sex-Thrillers ist eine ästhetische Hölle, bevölkert von Dämonen, gefallenen Engeln und Verdammten, deren abstoßendes Äußeres sie kaum unterscheiden lässt. Der Warnung vor Stroboskop-Effekten, die dem irrwitzigen Inferno vorausgeht, müsste im Grund eine vor visueller Verstörung folgen. Und der gleiche Regisseur und Co-Drehbuchautor brachte im Vorjahr in Cannes Wettbewerb, wo sein jüngstes Werk prämiert, den gemäldehaften Firebrand.
Zu dessen gotischer Elegenaz ist surreale Orgie das grelle Gegenstück. Ein Exorzismus der sinnlichen Schönheit durch höllische Hässlichkeit. Ein tätowierter Teufel prangt als deutlichstes der satanischen Symbole, die im Hintergrund warten und gleich Visionen aufflackern, auf dem Hals des unglückseligen Protagonisten. Lange bevor Heraldo (Iago Xavier) pragmatisch resümiert, das Schicksal habe es auf ihn abgesehen und überall lauere der Tod auf ihn, zeigt dies die surreale Spirale aus Sex und Tod, Blutvergießen und Begierde.
Nachdem ein Attentat für die Drogen-Baronin Bambina (Fabíola Líper) mit dem falschen Toten endet, weil Heraldo seinen Einsatz buchstäblich in einem schäbigen Stundenhotel verpennt, flüchtet er sich in die titelgebende Absteige. Zur Dauerbeschallung pulsierender Musik oder dem Stöhnen kopulieren Gäste, verfällt der mittel- und ausweglose Anti-Held der Hotelleiterin Dayana (Nataly Rocha). Sie ist ihrerseits Geisel ihrer Ehe mit dem cholerischen Elias (Fabio Assunção), in dem langsam Eifersucht hochkocht – auf beide. Nicht das einzige unangenehme Klischee.
Der als paraphile Psychopath dargestellte Bi-Sexuelle ist Teil einer Riege antagonistischer Figuren, deren Queerness sie noch widerwärtiger machen soll: Bambina hat eine trans Handlangerin, Dyana einen heimtückischen schwulen Kollegen. Der von Elias ausgehende gay threat gegenüber Heraldo erscheint als soziopathisches Gegenstück Heraldos und Dyanas dadurch gefährdeter straighter Beziehung. In der von Homoerotik aufgeladenen, am Rande des Camp agierenden Inszenierung wirken die Negativ-Stereotypen wie eine bizarre Parallele zu Films noirs, die der fatalistische Plot pervertiert und parodiert.
Mit seinem bilateralen Beiklang von Verhängnis und Bestimmung wird der Titelschauplatz Karim Aïnouz narkotischen Neo-Noirs zum klaustrophobischen Mittelpunkt einer von darstellerischer Physikalität und Optik vorangetriebenen Story. Jene entrollt sich als endlose Sex-Serie, deren voyeuristische Präsentation realistische Hässlichkeit untergräbt. Kammerspielartig kondensiert auf stickige, schmierige Suiten, wird der Kriminalplot Folie einer klaustrophobischen Atmosphäre von Ekel und Ekstase. Hélène Louvarts flirrende Bilder vereinen Gaugins expressionistischen Exotismus und Bacons verzerrte Fleisch-Farben zu einer hysterischen, doch hypnotischen Anti-Erotik und Anti-Ästhetik.
- OT: Motel Destino
- Director: Karim Aïnouz
- Screenplay: Karim Aïnouz, Mauricio Zacharias, Wislan Esmeraldo
- Year: 2024
- Distribution | Production © Tandem