Für ein Leinwandwerk, dessen Charaktere organischer und direkter über Musik kommunizieren als mit Worten macht Oliver Hermanus elegisches Historienstück enttäuschend wenig aus dem essenziellen Handlungselement. Dies ist nur eine der gravierenden dramaturgischen und formellen Auslassungen der wehmütigen Romanze, die ihre zahlreichen interessanten Motive kunsthandwerklichen Ästhetisierung opfert. Die von Ben Shuttuck basierend auf seiner gleichnamigen Kurzgeschichte adaptierte Story beginnt im ländlichen Kentucky, wo Lionel (Paul Mescal) auf einer einfachen Farm mit den Folk Songs seiner musischen Eltern aufwächst.
Sein perfektes Gehör und eine herausragende Stimme verhelfen dem musikalischen Wunderkind zu einem Stipendium nach Boston, wo er seinen gleichaltrigen Kommilitonen David (Josh O’Connor) kennenlernt. Der bei seinem wohlhabenden Onkel aufgewachsene Waise hat ein Faible für alte Volksballaden, das in einer Piano Bar mit Lionel zusammenführt. Das süßliche Duett zeigt exemplarisch das kitschige Simplifizieren der Inszenierung, die beider kreative Symbiose denkbar plakative darstellt. Ein Gefühl für beider intime Interpretation der Musik kann nie entstehen.
Aus der Freundschaft wird rasch eine Liebesbeziehung, die unvermittelt der Krieg entzweit. Auch hier wird die Beziehung ungeachtet der zeitlichen Diskriminierung und Tabuisierung mit einer Beiläufigkeit ausgelebt, die nicht befreit wirkt, sondern schlicht realitätsfremd. Diese gerade hinsichtlich des gegenwartspolitischen queerfeindlichen Backlash bezeichnende Negation gesellschaftlicher Ressentiments steht in krampfigem Kontrast zur verschämten Vermeidung sinnlicher Szenen. Nach seiner Rückkehr lädt David Lionel zu einem Song-Sammel-Trip durch Maines malerische Landschaft. Doch beider Glück in der Natur ist flüchtig.
Der schwermütige Soundtrack, die dunkle, kühle Farbpalette und schwelgerische Kamerabilder verkünden früh die tragische Entwicklung der Romanze. Jene bestimmt nur das erste Drittel der Handlung, inneren Zentrum Lionels Einsamkeit und Verlustschmerz steht. Ein Vortrag der irischen Ballade „The Unquiet Grave“ antizipiert den dramatischen Fokus, der wie nahezu alles unerbittlich überbetont wird. Als wäre Lionels Off-Kommentar nicht genug Over-Exposition, wird die Episode um die Ballade aus dem Off rekapituliert. Die feinen Töne erstickt das romantische Requiem.
Hochglanz-Historizismus und Faux Philosophie übertönen die sensibleren Zwischentöne Oliver Hermanus gediegener Kino-Komposition. Deren spärliche Story benennt ihre faszinierenden Elemente wie Synesthesia und absolutes Gehör in gestelzten Dialogen, ohne sie je visuell und stilistisch greifbar zu machen. Das sensorische Erleben des rezeptiven Protagonisten erschließt sich ebenso wenig wie seine musikalisch sublimierte Partnerschaft. Klangliche und körperliche Erfahrungen bleiben reine Behauptung. Hinter der prestigeheischenden Optik dümpelt pseudo-poetischer Edelkitsch, das Paul Mescals nuanciertes Schauspiel nicht retten kann.
- OT: The History of Sound
- Director: Oliver Hermanus
- Year: 2025