Die dissoziativen und eruptiven Auswirkungen von Krieg sind ein übergreifendes Motiv Alina Gorlovas filmischen Schaffens. Das jüngste Werk der ukrainischen Regisseurin setzt diesen analytischen Fokus fort. Gemeinsam mit Simon Mozgovyi und Yelizaveta Smit, mit denen Gorlova an dem Kriegsdrama Butterfly Vision sowie ihrem dokumentarischen Langfilm-Debüt This Rain Will Never Stop arbeitete, entwirft sie ein anthropologisches Panorama des Menschen im Kriegszustand. Der titelgebende Neologismus, den ihre stille Observation konstruiert und etabliert, benennt diese Kriegs-Persona.
Eine Text-Einblende ähnlich eines Lexikon-Eintrags erklärt den aus dem lateinischen Wort für Soldat und dem griechischen Wort für Mensch zusammengefügten Begriff. Militantropos – „A persona adopted by humans when entering a state of war.“ Der Krieg ist in diesem Fall der russische Überfall der Ukraine. Kühle, triste Bilder zeigen das Leben im Schatten der militärischen Gewalt, sowohl des Angriffs als auch notgedrungener Verteidigung. Das diesige Licht und die fahle Farbpalette verleiht den Szenen eine gespenstische Aura.
Feuerwehrleute räumen die Trümmer zerstörter Gebäude weg. Allein in seiner Wohnung lauscht ein Mann besorgt den Nachrichten. Auf einem Feld stehen verwelkte Blumen. Das Dunkel der Nacht wird abrupt von Schüssen und Infarot-Licht zerrissen. Vier Texttafeln unterteilen die Aufnahmen, die Gorlova ohne Kommentar oder nähere Informationen zeigt, in lose Kapitel. Jedes illustriert mit klinischer Nüchternheit die psychologische Hypothese des vorangestellten Textes. Leid, Tod und Traum werden zum theoretischen Abstraktum, das die Abstumpfung der Zuschauenden konfrontiert.
Die Silhouette eines Soldaten, der durch ein winterliches Waldstück läuft. Ein Musiker, der für eine klägliche Tanzkapelle spielt. Das Skelett eines Pferdes auf dem Acker eines verlassenen Dorfes. Alina Gorlova und ihre Co-Regieleute Simon Mozgovyi und Yelizaveta Smit haben ein bemerkenswertes Gespür für atmosphärische Bilder. Eine gespenstische Aura liegt selbst über den Szenen, die einen raren fröhlichen oder humorvollen Moment zeigen. Die sonore Klangkulisse verschmilzt organisch mit den bedrückenden Aufnahmen. Dahingegen bleiben die Zwischentexte mit ihrer Thesen-Philosophie ein ambivalentes Stilmittel.
- OT: Militantropos
- Director: Alina Gorlova, Simon Mozgovyi, Yelizaveta Smit
- Year: 2025