“I made my crib in the cold/ I only rest in the storm/ I only fall asleep in the hurricane”, singt Tom Zé in einer trügerisch unbeschwerten Szene Pedro Pinhos parabolischen Psychogramms. Dessen idealistischer Protagonist kommt im Auftrag einer NGO in eine westafrikanische Metropole, um dort als Umweltingenieur an einem Straßenbauprojekt zu arbeiteten. Sergios (Sérgio Coragem) Vorgänger ist auf seltsame Weise umgekommen und während er sich in eine Ménage à trois mit der forschen Diara (Cleo Diára) und dem undurchsichtigen Gui (Jonathan Guilherme) verstrickt, umso riskanter wird seine eigene Position.
Doch die ausufernde Story ist weder das Beziehungsdrama, noch der Krimi, nach denen es die Synopsis klingen lässt. Pinhos Fokus, der sich in der episodischen Handlung erst stückweise enthüllt, ist die ambivalente Dynamik zwischen den Einheimischen und den neokolonialistischen NGO. Deren Position repräsentiert und reflektiert der verblendete Hauptcharakter, dessen Perspektive und Erleben die Erzählung lenkt. Mit jedem Tag spürt Sergio stärker seine Fremdheit an dem Ort, an dem rassistische Ressentiments überall greifbar sind und materielle Abhängigkeit kolonialistische Hierarchien aufrechterhält. Tom Zés Titelsong, verweist auf Sergios paradoxe Sehnsucht nach einem Krisenort.
Sergio erhofft sucht innere Ausgeglichenheit dort, wo Ungleichheit und Instabilität omnipräsent sind. Genau wie er finden die übrigen NGO-Mitarbeitenden ein Gefühl der Erhabenheit und Überlegenheit in ihrem Einsatz. Dessen zweifelhafte Notwendigkeit ist neokolonialistisch motiviert und kolonialistisch bedingt. Wie es Zés Song umschreibt: „I am the rabies and the vaccine“. Diara, Giu und die Menschen, die Sergio in den lose verwobenen Episoden kennenlernt, erklären ihm seine moralische Heuchelei und die strukturellen Probleme in harschen Diskussionen. Diese ausführlichen Debatten bremsen das Geschehen weiter aus. Die brüchige Dramaturgie zerfällt in zeitaktuelle, doch wenig cineastische Rhetorik.
Mit seiner überbordenden Laufzeit von fast dreieinhalb Stunden, episodischen Struktur und angebrochenen Nebenhandlungen wirkt Pedro Pinhos mäanderndes Drama mehr wie eine zusammengeschnittene Mini-Serie. Der Handlungsrahmen dient vor allem als Bühne für die systemkritischen Dialoge. Die historische und soziologische Analyse dieser Vorträge ist oftmals überzeugender als die Schauspielenden selbst. In markantem Kontrast zu dieser Wortlastigkeit stehen ausgedehnte Szenen, in denen die Ruhe eine vage bedrohliche Anspannung greifbar macht. Solche atmosphärischen Momente bleiben jedoch vereinzelt in der kargen Inszenierung, die sich bei aller vordergründigen Kolonialismus-Kritik letztlich genauso opportunistisch verhält wie ihr Hauptcharakter.
- OT: O Riso e a Faca
- Director: Pedro Pinho
- Year: 2025