Dass Pedro Almodóvar sein hintergründiges Gleichnis als Melodram der intellektuellen Bourgeoisie anlegt, ist eine geschickte Konfrontation eben dieses Gesellschaftssegments mit dem drängenden Subtext eines doppelbödigen Plots. Der installiert die komplexe Beziehung der Protagonistinnen als Prisma einer traumatischen Vergangenheit. Selbige manifestiert sich bereits in den Anfangsszenen, die beiläufig das faschistische Erbe und damit verknüpfte Trauma von Militärgewalt und systemischer Verdrängung etablieren. Die Exhumierung eines anonymen Massengrabs initiiert auf Umwegen die Geburt des Kindes der Fotografin Janis (Penelope Cruz) und des Anthropologen Arturo (Israel Elejalde), zeitgleich mit dem der jungen Ana (Milena Smit). Eine Überschneidung, deren symbolische Tragweite die leichthändige Inszenierung kontinuierlich verdichtet.
Auf der Geburtsstation entsteht eine spontane Freundschaft zwischen der späten Mutter Janis und ihrer ungewollt schwangeren Zimmernachbarin. Anas Gewalterfahrung enthüllt sich als Metapher für unauflösbare familiäre Verstrickung von Schmerz und Zuneigung, Ablehnung und Akzeptanz. Während das Prozedere um die Ausgrabung der Überreste ermordeter Verwandter sich hinzieht, wird für die Hauptfigur Janis eine Vermutung über ihre kleine Tochter bedrückende Gewissheit. Den mit Almodóvars typischem Gespür für ästhetische Finesse und subtile Ironie konstruierten Handlungsrahmen füllen differenzierte Allegorien für trügerische Vertrautheit, Flucht in Verleugnung, Notwendigkeit von Trauer und befreiende Wahrheit. Biografische Identitätsfindung wird Sinnbild nationalhistorischer Aufarbeitung in einer elegant abstrahierten Politparabel von überraschender Konsequenz.
- OT: Madres paralelas
- Regie: Pedro Almodóvar
- Drehbuch: Pedro Almodóvar
- Produktionsland: Spain
- Jahr: 2021
- Laufzeit: 120 min.
- Cast: Penélope Cruz, Rossy de Palma, Aitana Sánchez-Gijón, Milena Smit, Daniela Santiago, Israel Elejalde, Julieta Serrano, Julio Manrique, Adelfa Calvo, Pep García Pascual, Carmen Flores, José Javier Domínguez, Ana Peleteiro, Trinidad Iglesias, Arantxa Aranguren
- Kinostart: 06.01.2022
- Beitragsbild © Studiocanal