Als vor gut zwei Jahrzehnten Jan Henrik Stahlbergs Mockumentary Mucksmäuschenstill in die Kinos kam, traf er einen Nerv und die späte Fortsetzung wird dies wohl auch tun. Nicht, weil das mit einem potenzierenden Hoch-X versehene Sequel besonders originell und zeitgemäß wäre, sondern weil es genau das nicht ist. Die Story um den nach Spießer-Vigilanten Mux (Stahlberg), der nach zwanzig Jahren im Koma der ostdeutschen Provinz den Muxismus nahebringen will, zieht die gleiche Nummer nochmal ab.
Alles derber, aggressiver, mit noch mehr spießbürgerlicher Selbstgerechtigkeit, die eigentlich vorgeführt werden soll. Und das wird sie, obschon nicht freiwillig. Der bourgeoise Belehrungsduktus, die Mischung aus Gutbürgertum und Wutbügertum, der angegraute Altherren-Humor, die der leicht überlange Persiflage-Plot offenbart, sind die Stahlbergs. Er inszeniert nun selbst statt Marcus Mittermeier. Dessen schein-dokumentarischen Stil ersetzt konventionelle Fiktionalität. Paradoxerweise wirkt die Story trotzdem wirklichkeitsnaher, da die Grenze zwischen Protagonist und Person zunehmend verschwimmt. Das zeigt unterstreicht die inszenatorische Ebene.
Wie Mux geht Stahlberg regelmßig zu weit, bis er dort steht, wo er die anderen sieht. Er gibt vor, für gesellschaftliche Randgruppen einzustehen, tritt aber ständig gegen sie. Sein politischer Populismus ein wirres Konglomerat bekannter Konzepte. Alles kreist um sein Ego und ist dabei unendlich verstaubt, bieder und gestrig. Das gestrige zeigt sich schon darin, dass Mux und Stahlbergs erklärter Feind der Neo-Liberalismus ist. Dabei bestimmen die gesellschaftliche Gegenwartspolitik längst der Neo-Konservativismus und Neo-Faschismus.
Deren Dogmen kommen so manche Szenen unangenehm nahe. So werden einmal zwei Zugfahrgäste mit Schildern als „asozial“ geächtet werden. Dieses Reproduzieren von Nazi-Rhetorik und Taktiken soll amüsant sein. Obdachlose und Arbeitslose werden beschimpft und verhöhnt. Dabei werden die gängigen Negativklischees – stupide, desinteressiert, gefährlich manipulierbar – bestätigt. Ähnlich abfällig ist das Frauenbild von notgeiler Seniorin über korrupte Karrierefrau bis zur holden Muse. Dass Anonymus und Umweltbewegung als Beispiele ideologischer Verblendung dienen, unterstreicht den satirisch maskierten Reaktionismus.
Bereits der Vorgängerfilm zu Jan Henrik Stahlbergs sozialpolitischer Satire war kein Werk, das enthüllte, sondern mit dem Finger zeigte – mitunter zufällig auf die Richtigen. Neben diesen Zieltreffern fehlt der Fortsetzung jeder Feinsinn. Die Gags haben erneut die immer gleiche Pointe. Diesmal ist es die Erniedrigung der Unterschicht zur Belustigung des Bildungsbürgertums. Mux-Mastermind Stahlberg überzeugt in seiner Rolle und verrät in seiner Inszenierung eine ganz ähnliche Mentalität: Klassistische Ressentiments, populistische Phrasen, abgeschmackte Witze. Subversiv ist daran nichts.
- OT: Muxmäuschenstillˣ
- Director: Jan Henrik Stahlberg
- Screenplay: Jan Henrik Stahlberg
- Year: 2025
- Distribution | Production © Schiwago Film GmbH