Ihr Traum sei es, die Schönheit der Frauen meines Landes zu repräsentieren, sagt die Titelfigur im Epizentrum von Gerardo Naranjos erbarmungsloser Verbrechensstudie. Für die 23-jährige Laura (Stephanie Sigman) erfüllt sich der (Alp)Traum.
Die paradigmatischen Worte sind nicht Lauras, sondern eine stupide Floskel, die der Kandidatin einer Schönheitskonkurrenz vorgesprochen werden. Fast nie artikuliert die Hauptfigur eigenständig, denn sie ist nur Mittel zum Zweck, für den mexikanischen Filmemacher und das organisierte Verbrechen. Laura ist in ihrer Passivität das ultimative Opfer, dessen Erniedrigung Naranjo zelebriert. Seine Gewaltepisode interessiert nicht der Gefühlszustand eines Menschen, sondern des Landes. Ins kriminelle Räderwerk gerät die Titelfigur, weil sie nach einer Schießerei in einem Club ihre verschwundene Freundin sucht. Die anonymen Fahrzeuge, welche die Protagonistin auflauern, dienen als Symbole omnipräsenter Bedrohung.
Man weiß nie was in dem schwarzen Truck mit den verspiegelten Scheiben auf einen zu kommt.
Gerardo Naranjo
„Man weiß nie was in dem schwarzen Truck mit den verspiegelten Scheiben auf einen zu kommt“, sagt der Regisseur. Über allem liegt Unwägbarkeit, die Gewalt und Staatswillkür ins Monströse gesteigert haben. Die Unberechenbarkeit der Ereignisse reduziert die junge Frau zur ohnmächtigen Beobachterin des eigenen Leidens. Unbarmherzig setzen die kühlen Plansequenzen die von General Duarte (Miguel Couturier) verkörperte Korruption und die des US-Kontaktmanns Jimmy (James Russo) mit der des Polizeispitzels Kike (Jose Yenque) gleich. Noch unbarmherziger verurteilt das Gangsterdrama seine Figur für deren zaghaftes Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit.
„Du musst öfter lächeln!“, mahnt sie eine protegierte Siegerin der abgekarteten Misswahl. Menschen haben in der Handlung nur einen Wert als Projektionsfläche von Hoffnung und Hass der Öffentlichkeit. Lauras Name ist eine unverkennbare Anspielung auf die 2008 verhaftete „Miss Sinaloa“ Laura Zúñiga. Doch solche Verweise bleiben ähnlich leere Prätention wie die endlosen Brutalitätsexzesse. Ein Abweichen von der kollektiven Kapitulation vor einer tief im Staatsapparat verwurzelte Verbrechensmacht bringt Zúñigas Leinwandwiedergängerin die Krone: Symbol des Triumphs von Schein über Sein, an dem das ambivalente Gewaltdrama selbst krankt.
- OT: Miss Bala
- Regie: Gerardo Naranjo
- Drehbuch: Mauricio Katz, Gerardo Naranjo
- Produktionsland: Mexiko
- Jahr: 2011
- Laufzeit: 113 min.
- Cast: Stephanie Sigman, Irene Azuela, Miguel Couturier, Gabriel Heads, Noe Hernandez, James Russo,
- Kinostart: 18.10.2012
- Beitragsbild © Fox