„Ich fühle mich ein bisschen wackelig“, murmelt William Whitaker und blickt aus trüben Augen durch sein Hotelzimmer. Dort sieht er noch fast leere Flaschen, Zigarettenkippen und seine Arbeitskollegin Katerina (Nadine Velazquez). Spuren einer langen Nacht mit zu wenig Schlaf und zu viel Alkohol. Gegen Übermüdung und Kater hat „Whip“ Whitaker (Denzel Washington) neben sich auf dem Nachttisch eine bessere Medizin, die er sich in die Nase zieht. „Ich bin genau auf Linie“, sagt er später im Flugzeug seinem besorgten Sitznachbarn. Für den abgebrühten Alkoholiker ist der Flug von Orlando nach Atlanta Routine; Berufsroutine, denn Whip ist der Pilot der Passagiermaschine. Doch das Gewitter, in das sein Flieger an diesem Morgen gerät, ist noch die geringste der Turbulenzen, die ihm während Robert Zemeckis Charakterdrama bevorstehen.
„Einen Helden“ nennen die Medien Whip, der im Krankenhaus erwacht, nachdem er den Flieger trotz eines fatalen Maschinenschadens mit kleinstmöglichen Verlusten zur Erde brachte. Doch Drehbuchautor John Gatins stellt von Anfang an klar, dass sein sturer Hauptcharakter nichts dergleichen ist. Bei seiner eindringlichen Verkörperung scheut sich Denzel Washington nicht die Schwächen eines Mannes zu zeigen, der sein Leben noch gründlicher in den Sand gesetzt hat als den Flieger. Dessen Technikausfall ist nervenzerreißend inszeniert und jedes Actionfilms würdig, doch der packende Auftakt gleitet in ein gemessenes Charakterdrama. Den schwierigen Übergang meistert Zemeckis so konzentriert und kühl wie der Hauptcharakter, der in seiner zerfahrenen Existenz all die Widersprüche der Handlungssituation bündelt. Whip ist ein zügelloser Trinker, der die letzten Wodka-Shots an Bord runter spült und dennoch als einziger nüchtern reagiert,und ein hitziger Draufgänger, der im entscheidenden Augenblick kühlen Kopf bewahrt. Den defekten Flieger hält er bis zuletzt unter Kontrolle, die Kontrolle über sich selbst hat er längst verloren.
Der Flugzeugabsturz wird zur Metapher für Whips privaten Absturz, den er im Gegensatz zu dem der Passagiermaschine nicht bremsen kann. Im Krankenhaus besuchen ihn seine letzten übrig gebliebenen Freunde Harling Mays (John Goodman) und Charlie Anderson (Bruce Greenwood). Erster bringt Drogen, zweiter Nachricht über die offizielle Untersuchung. Das Ergebnis eines bei der stationärer Einlieferung durchgeführten Bluttests spricht gegen Whip, dem auf einmal Anklage wegen Drogenbesitz und fahrlässiger Tötung droht. Als alter Kumpel engagiert ihm Gewerkschaftsführer Charlie den scharfsinnigen Anwalt Hugh Lang (Don Cheadle). Der kann die medizinischen Beweise vor dem Untersuchungskomitee unterdrücken, aber nicht Whips selbstzerstörerisches Trinken. „Ich kann von selbst aufhören“, behauptet Whip gleichsam zur Bestätigung, dass er es nicht kann. Vielleicht, weil er es im Grunde nicht will, da er die Erbärmlichkeit seiner Existenz spürt. Zu seiner Ex-Frau und dem jugendlichen Sohn hat er die Beziehung verloren und zu der labilen Nicole (Kelly Reilly), die er im Krankenhaus kennenlernt, kann er keine aufbauen.
Ohne Alkohol sieht sein Leben trostloser aus als eine mit Softdrinks gefüllte Minibar. Letzte erwartet Whip in dem Hotel, in das ihn Lang und Charlie am Vortag der Untersuchungsanhörung einquartieren. Nachdem er zu Beginn im Rauschzustand mit einem unvorhersehbaren Szenario konfrontiert wurde, blickt er nun stocknüchtern einem sorgfältig vorbereiteten Prozedere entgegen. An dieser Stelle liefert der Plot einen zweiten intensiven Spannungsmoment, in seiner Zurückhaltungt ein Kontrapunkt zum ersten. Whips bevorstehender Kontrollverlust kündigt ich in einem nächtlichen Erlebnis an, das den psychischen Zwang hinter seinem Verhalten auf den Punkt bringt. Die alptraumhafte Szene verrät eher Einsicht in die Suchtmentalität als milde Verweise auf umnebelnden Glauben und verweist auf die Frage, der sich der ganz unten angekommene Pilot letztlich stellen muss: „Wer bist du?“
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