Sogar eine Mitarbeiterin der chirurgischen Praxis sagt der jungen Protagonistin, was diese unter dem erstickenden sozialen Druck nicht glauben kann: Sie braucht keine Schönheitsoperation. Doch Su-young ist endgültig entschlossen. Um das Geld für den Eingriff aufzubringen, zermürbt sich die verschlossene Hauptfigur von Ryu Hyung-kis präziser Systemstudie in erniedrigenden Teilzeitjobs. Einen Arbeitsmarkt- und implizit Lebenswert haben nur die Makellosen. Su-young zählt nicht dazu. Sie zählt überhaupt nicht. In der ersten Szene des in unheilvolle Schlagschatten getauchten Porträts schluckt sie in einem Krankenhauszimmer eine Tablette. Die ersehnte OP ist noch unendlich fern.
Medikamentenstudien, Schichtarbeit, Unterschlagung – immer riskanter und aussichtsloser wird der Kampf gegen die Geldsorgen, die den bitteren Alltag aller Figuren beherrschen. Das mitleidlose ökonomische Wettrennen macht aus allen Konkurrenten. Die beständig wiederholte Floskel „Lass uns in Kontakt bleiben“ markiert maximale emotionale Distanz und neue Abhängigkeitsverhältnisse zu den Personen, mit denen die Betroffenen am wenigstens zu tun haben wollen. Geldbeschaffung ist der größte gemeinsame Nenner, der die jungen Menschen in der von Gefühlskälte erstarrten Moderne verbindet. Ryu Hyung-kis kühle Sektion emotionaler Verkümmerung etabliert materielle Bedürfnisse als letztes stabiles Bindeglied einer maroden Gemeinschaft.
Das einschneidende Debüt umkreist die vergeblichen Sehnsüchte und Hoffnungen der jungen Generation in einem menschenfeindlichen Wirtschaftsapparat. Su-youngs Operation markiert in der niederschmetternden Story eine Leerstelle, welche jeder individuelle Wunsch einnehmen könnte. Für sie ist es der nach Selbstveränderung. Erfolgreich sein, schön sein, glücklich sein: Alles ist möglich und seinen Preis. Die haltlosen Figuren sind bereit, ihn zu zahlen. Die Protagonistin läuft schließlich nachts auf einer gespenstischen Straße ihrem persönlichen Ziel entgegen. Sich selbst jedoch wird sie nicht entkommen. Das bittere Happy End ist ein Abgesang auf die titelgebende unerreichbare Vision.
- OT: Neo-wa na-eui i-shib-il-seki
- Regie: Ryu Hyung-ki
- Drehbuch: Ryu Hyung-ki
- Produktionsland: Süd-Korea
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 83 min.
- Cast: Han Soo-yeon, Lee Hwan, Choi So-eun, Shin Hyun-ho, Gilles Collot
- Beitragsbild © Berlinale