Til Schweigers Filme vorzugsweise wie jüngst Zweiohrküken in geschlossener Gesellschaft gezeigt. Die “Family & Friends”-Vorführungen dienen jedoch allein dem Schutz argloser FilmkritikerInnen – das legt Matthias EmckesSoap nahe. Der Regisseur und Drehbuchautor ahntoffenbardie Trivialität der Story desegomanischen Protagonisten (Schweiger): „Nach einem tragischen Unfall gibt es nur zwei Alternativen: sich zu wandeln oder endgültig abzustürzen. Das klingt erst einmal banal.” Ist es auch. „Dies ist meine Geschichte“, notiert Amateurradrennfahrer Marc. Kein Wunder, dass autobiografischen Schreibversuche erfolglos bleiben. Außer Phrasen über Sport und alten Familienwehwehchen hat er nichts zu erzählen. Höchstens, dass die Mutter seiner Tochter (Luna Schweiger) wegen seiner Unterhaltsschulden und Unzuverlässigkeit nervt.
Marcs Neue Nika (Jana Pallaske) ermuntert ihn trotzdem zum Schreiben, aber er radelt lieber Richtung des alles verändernden Unfalls. Amputationen behandelt die Story als Schicksalsstrafe und Mittel zur Läuterung. Marc rehabilitiert sich auf jeder Ebene und strebt als optimierter Vater, Partner und Autor seinen Lebensträumen entgegen. Und alles nach einer wahren Begebenheit. Obwohl der platt gezeichnete und gespielte Held ein echter Kotzbrocken ist, überschütten ihn alles mit Fürsorge. Kumpel Alexander (Stipe Erceg) nimmt ihn bei sich auf, spendiert eine Spezialprothese und setzt noch ein Auto obendrauf. Reiche Freunde sind was Tolles. Zum Dank zeigt Marc ihm aus dem Fenster des geschenkten Wagens einen Vogel.
Nika fördert Marcs Schriftstellerkarriere und darf im Gegenzug weiter für ihn leben. Die Wandlung des Hauptcharakters ist die vom erfolglosen Egoisten zum erfolgreichen. Phantomschmerz fühlt Marc doppelt: im amputierten Bein und über Probleme, die er nicht hat. Die übrigen Figuren interessieren weder Emcke noch dessen Figur. Wo “Schweiger“ drüber steht, muss in jeder Szene “Schweiger“ drin sein. Der Star vermag nicht ansatzweise, der Rolle Tiefe zu verleihen. Zu hohlen Dialogen kommt Marcs selbstgefälliger Off-Kommentar. Die Bewältigung des Traumas bietet keine Hoffnung, denn sie gelingt nicht dank individueller Stärke, sondern fremde materielle Mittel. Das als Errungenschaft hinzustellen wirkt im besten Fall arrogant, eher aber zynisch.
Eines ist Marc tatsächlich gelungen: andere auszunehmen. Der Plot idealisiert diese Manipulation rückhaltlos. Erwartet Schweiger, dass KritikerInnen vor Dankbarkeit darüber, zu Pressevorführungen zugelassen zu sein, positiv über das fade Drama urteilen? Falls zukünftig wieder Privatkino angesagt ist, ist kaum Phantomschmerz ob des ungesehenen Films zu erwarten. Eines lehrt die banale Geschichte: trotz Verlusten lässt sich ein gutes Leben führen. Ohne einige Filme sogar ein besseres. Das schnöde Star-Vehikel ist ein heuchlerisches Konstrukt ohne Dramatik, Humor, Empathie und überzeugende Charaktere. So viel ist nach der Sichtung klar: Auch was fehlt, kann richtig weh tun.
- OT: Phantomschmerz
- Regie: Matthias Emcke
- Drehbuch: Matthias Emcke
- Produktionsland: Deutschland
- Jahr: 2009
- Laufzeit: 98 min.
- Cast: Til Schweiger, Jana Pallaske, Stipe Erceg, Luna Schweiger, Julia Brendler
- Kinostart: 30.04.2009
- Beitragsbild © Warner Bros.